Introgression ortsfremder Gene fördert schnelle Anpassung: ein unbeabsichtigtes Experiment an der Rotbauchunke (Bombina bombina) am Nordrand ihrer Verbreitung

TI 349/13-1

Dieses Projekt untersucht genomische Grundlage der adaptiven Variation für schnelle Anpassung (Themenbereich 3). Insbesondere werden 2 Hypothesen getestet, (1) kleine isolierte Populationen an der Verbreitungsgrenze einer Art sind in ihrer Anpassungsfähigkeit aufgrund fehlender genetischer Variation eingeschränkt und (2) Introgression ortsfremder Allele kann das adaptive Potenzial derartiger Populationen erhöhen. Eine Introgression führt zu einer abrupten Erhöhung von Heterozygotie und allelischer Diversität. Sexuelle Rekombination erzeugt nachfolgend Mosaik-Genotypen mit verschiedenen Sets von lokalen und ortsfremden Allelen. Diese genetische Vielfalt schafft eine Basis für schnelle Anpassung.Unser Modellorganismus, die Rotbauchunke Bombina bombina, kommt in Europa in zwei getrennten evolutionären Linien vor, einer südlichen Linie im Balkan und in Österreich und einer nördlichen Linie von der Ukraine über Polen bis zum nördlichen Rand der Verbreitung in Norddeutschland und Südschweden. Initiale populationsgenetische Untersuchungen an 20 ungekoppelten Loci ergaben eine Introgression südlicher (vermutlich österreichischer) Genotypen in drei lokale nördliche Populationen aufgrund von unabhängigen inoffiziellen (und illegalen) Aussetzungen durch Hobbyherpetologen. Interessanterweise sind diese Populationen (1) an mehreren Genorten für ortsfremde Allele fixiert und (2) in Bezug auf den Populationstrend den lokalen Populationen überlegen. Dieses Szenario stellt ein repliziertes unbeabsichtigtes Experiment dar, das Dispersal über weite Distanz mit anschließender Introgression imitiert, und zwar von einer südlichen Linie (möglicherweise angepasst an wärmere Bedingungen im Sommer) in eine nördliche Population.Wir werden genomische Scans (RAD-seq) und Expressionsprofile (RNA-seq) von authochthonen und den von Introgression betroffenen Populationen erstellen, um genomweit zwischen ortsfremden und lokalen Allelen/Expressionsmustern unterscheiden zu können. In genomweiten Assoziationsstudien (GWAS) werden wir dies in Bezug setzen zu fitnessrelevanten Merkmalen (Körpergröße, Gewicht, Kondition). Diese Daten werden mit theoretischen Modellen evaluiert werden, die unser Kooperationspartner Prof. Stephan entwickeln wird. Hierbei soll der dominante Selektionsmodus ermittelt werden, namentlich selective sweeps oder polygene Selektion. Weiterführende Untersuchungen an Kandidatengenen (u.a. MHC und Heat shock protein-Gene) werden für funktionelle Genklassen erbringen, ob jeweils eher ortsfremde oder eher lokale Anlagen selektiv begünstigt sind. Dies ermöglicht ein kausales Verständnis für die Gründe, warum die von Introgression betroffenen Populationen der Rotbauchunke am Nordrand der Verbreitung den authochthonen Populationen überlegen sind.Übergeordnetes Thema dieses Projekts ist die Bedeutung von Introgression als Mechanismus, um genetische Variation zu erhöhen und damit das adaptive genetische Material für eine schnelle Anpassung bereitzustellen.

Publikationen
  • De Cahsan B, Westbury MV, Drews H, Tiedemann R (2019) The complete mitochondrial genome of a European fire-bellied toad (Bombina bombina) from Germany. Mitochondrial DNA Part B: Resources 4, 498-500. DOI: 10.1080/23802359.2018.1547143